Urteil / Beschluss
Bundesgerichtshof
Mitteilung der Pressestelle
Nr. 149/2025
"Cheat-Software" für Spielkonsolen verstößt nicht gegen Urheberrecht, soweit sie Objekt- oder Quellcode
der Spielesoftware nicht umschreibt
Urteil vom 31. Juli 2025 - I ZR 157/21 - Action Replay II
Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Vertrieb von Software, die dem Nutzer die Manipulation des Programmablaufs eines Computerspiels ermöglicht, ohne die Programmdaten des Objekt- oder Quellcodes der auf der Spielkonsole eingesetzten Spielesoftware zu verändern, nicht das Urheberrecht des Spieleherstellers an der Spielesoftware verletzt.
Sachverhalt:
Die Klägerin vertreibt als exklusive Lizenznehmerin für ganz Europa Spielkonsolen und hierfür konzipierte Computerspiele. Bei den Beklagten zu 1 und 2 handelt es sich um Unternehmen einer Unternehmensgruppe, die Software entwickelt, produziert und vertreibt, insbesondere Ergänzungsprodukte zu den Spielkonsolen der Klägerin. Der Beklagte zu 3 ist Director der Beklagten zu 1 und 2. Mit der Software der Beklagten konnten Nutzer von Spielkonsolen der Klägerin bestimmte Beschränkungen in deren Computerspielen umgehen, zum Beispiel die zeitliche Beschränkung der Verwendung eines "Turbos" oder die Beschränkung der Zahl von Fahrern in einem Rennspiel. Die Softwareprodukte der Beklagten bewirken dies, indem sie die variablen Daten verändern, die die Spielesoftware bei ihrer Ausführung im Arbeitsspeicher der Spielkonsole ablegt. Dem Programm wird damit ein Zustand vorgespiegelt, der im regulären Spielbetrieb zwar eintreten kann und damit programmimmanent ist, aber nicht dem tatsächlichen Spielstand entspricht. Die Klägerin ist der Auffassung, dass dies eine unzulässige Umarbeitung ihrer Computerspiele im Sinne von § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG darstelle. Sie hat die Beklagten auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch genommen.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat die Klägerin ihre Ansprüche weiterverfolgt.
Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren mit Beschluss vom 23. Februar 2023 (GRUR 2023, 577 - Action Replay I) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Dieser hat über das Vorabentscheidungsersuchen mit Urteil vom 17. Oktober 2024 - C-159/23 (GRUR 2024, 1704 - Sony Computer Entertainment Europe) entschieden.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs:
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass durch den Einsatz der Software der Beklagten nicht in den Schutzbereich der Computerprogramme der Klägerin eingegriffen und daher das der Klägerin zustehende Recht der Umarbeitung gemäß § 69c Nr. 2 Satz 1 UrhG nicht verletzt wird.
Der urheberrechtliche Schutz von Computerprogrammen fällt unter die Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen, deren Bestimmungen durch die §§ 69a ff. UrhG in deutsches Recht umgesetzt werden. Computerprogramme unterliegen danach dem Schutz des Urheberrechts. Der gewährte Schutz gilt gemäß § 69a Abs. 2 Satz 1 UrhG für alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms. Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind gemäß § 69a Abs. 2 Satz 2 UrhG nicht geschützt. Zu den urheberrechtlich geschützten Ausdrucksformen eines Computerprogramms zählen der Quellcode und der Objektcode, da sie die Vervielfältigung oder spätere Entstehung dieses Programms ermöglichen. Andere Elemente des Programms, wie insbesondere seine Funktionalität, genießen keinen urheberrechtlichen Schutz. Die Softwareprodukte der Beklagten verändern nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die variablen Daten, die die Spielesoftware bei ihrer Ausführung im Arbeitsspeicher der Spielkonsole ablegt und spiegeln dem Programm damit einen Zustand vor, der zwar nicht dem tatsächlichen Spielstand entspricht, aber im regulären Spielbetrieb eintreten kann und damit programmimmanent. Weil die Softwareprodukte der Beklagten nur den Ablauf des Programms beeinflussen und nicht die Programmdaten des Objekt- oder Quellcodes der auf der Spielkonsole eingesetzten Spielesoftware der Klägerin verändern, greifen sie nicht in den Schutzbereich des Rechts an der Spielesoftware als Computerprogramm im Sinne von § 69a Abs. 1 und 2 Satz 1 UrhG ein.
Vorinstanzen:
Landgericht Hamburg - Urteil vom 24. Januar 2012 - 310 O 199/10
Oberlandesgericht Hamburg - Urteil vom 7. Oktober 2021 - 5 U 23/12
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:
Art. 1 Abs. 1 und 2 Richtlinie 2009/24/EG
(1) Gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie schützen die Mitgliedstaaten Computerprogramme urheberrechtlich als literarische Werke im Sinne der Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und der Kunst. Im Sinne dieser Richtlinie umfasst der Begriff "Computerprogramm" auch das Entwurfsmaterial zu ihrer Vorbereitung.
(2) Der gemäß dieser Richtlinie gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen von Computerprogrammen. Ideen und Grundsätze, die irgendeinem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht im Sinne dieser Richtlinie urheberrechtlich geschützt.
Art. 4 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2009/24/EG
(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen der Artikel 5 und 6 umfassen die Ausschließlichkeitsrechte des Rechtsinhabers im Sinne des Artikels 2 das Recht, folgende Handlungen vorzunehmen oder zu gestatten: […]
b) die Übersetzung, die Bearbeitung, das Arrangement und andere Umarbeitungen eines Computerprogramms sowie die Vervielfältigung der erzielten Ergebnisse, unbeschadet der Rechte der Person, die das Programm umarbeitet;
§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG
(1) Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere:
1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme;
§ 69a Abs. 1 und 2 UrhG
(1) Computerprogramme im Sinne dieses Gesetzes sind Programme in jeder Gestalt, einschließlich des Entwurfsmaterials.
(2) Der gewährte Schutz gilt für alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms. Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze, sind nicht geschützt.
§ 69c Nr. 2 UrhG
Der Rechtsinhaber hat das ausschließliche Recht, folgende Handlungen vorzunehmen oder zu gestatten: [...]
2.die Übersetzung, die Bearbeitung, das Arrangement und andere Umarbeitungen eines Computerprogramms sowie die Vervielfältigung der erzielten Ergebnisse. Die Rechte derjenigen, die das Programm bearbeiten, bleiben unberührt;
Karlsruhe, den 31. Juli 2025
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501
Entnommen aus http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&pm_nummer=0149/25