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Kanzlei Judith Kellner Mannheim

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Urteil / Beschluss

Bundesgerichtshof

Mitteilung der Pressestelle


Nr. 229/2025

Verhandlungstermin am 16. Dezember 2025 um

9:00 Uhr in Sachen KZR 6/24, Saal E101, zum

Sammelklagen-Inkasso beim LKW-Kartell

Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat darüber zu entscheiden, ob die Geltendmachung von Ansprüchen auf Ersatz eines kartellbedingten Schadens im Wege des sogenannten Sammelklage-Inkassos zulässig ist.

Sachverhalt:

Die Beklagten gehören - zusammen mit den Streithelferinnen zu 1 bis 3 - zu den führenden Herstellern von Lastkraftwagen (LKW) im Europäischen Wirtschaftsraum oder sind mit diesen im Konzern verbunden. Mit auf einem Vergleich mit den Beklagten zu 1 bis 3 und 5 (nachfolgend Beklagte) beruhenden Beschluss vom 19. Juli 2016 stellte die Europäische Kommission fest, dass diese durch Absprachen über Preise und Bruttolistenpreiserhöhungen für mittelschwere und schwere LKW sowie über den Zeitplan und die Weitergabe der Kosten für die Einführung von Emissionstechnologien für diese Fahrzeuge nach den Abgasnormen EURO 3 bis EURO 6 gegen Art. 101 AEUV und Art. 53 EWR-Abkommen verstoßen haben. Für die Zuwiderhandlung, die sich über den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum erstreckte und vom 17. Januar 1997 bis zum 18. Januar 2011 andauerte, verhängte die Kommission Bußgelder in Höhe von etwa 2,93 Mrd. €. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 27. September 2017 stellte die Europäische Kommission auch Zuwiderhandlungen der Streithelferinnen zu 1 bis 3 gegen Art. 101 AEUV fest und verhängte gegen diese ebenfalls Bußgelder.

Die Klägerin, die sich als ein auf die IT-basierte Durchsetzung von Massenschadensfällen spezialisiertes Rechtsdienstleistungsunternehmen bezeichnet, ist im Rechtsdienstleistungsregister der jeweils zuständigen Behörde für Inkassodienstleistungen, nicht aber für Rechtsdienstleistungen in einem ausländischen Recht registriert. Sie nimmt die Beklagten aus abgetretenem Recht auf gesamtschuldnerischen Ersatz kartellbedingten Schadens im Zusammenhang mit dem Erwerb (Kauf, Mietkauf oder Leasing) zahlreicher LKW in Anspruch. Bis 2017 ließ sie sich von einer Vielzahl in- und ausländischer Unternehmen (nachfolgend: Zedenten) aus - zum Zeitpunkt der Klageerhebung 21 Ländern - mögliche Kartellschadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem obigen Kartell abtreten, um diese gebündelt gerichtlich geltend zu machen. Mit den Zedenten schloss sie jeweils einen Dienstleistungsvertrag und eine Abtretungsvereinbarung. Die Klage wird von einem Prozessfinanzierer finanziert.

Bisheriger Prozessverlauf:

Mit der im Jahr 2017 erhobenen Klage hat die Klägerin die Beklagten zunächst auf Feststellung und sodann auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage bezüglich der Ansprüche bestimmter Zedenten als unzulässig und im Übrigen wegen von ihm angenommener Nichtigkeit der Abtretungen wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz als unbegründet abgewiesen. In der Berufungsinstanz waren noch über 70.000 Erwerbsvorgänge von über 3.000 Zedenten und Schadensersatzansprüche von insgesamt etwa 500 Mio. € nebst Ansprüchen in Fremdwährungen streitgegenständlich.

Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil und das zugrunde liegende Verfahren aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Es hat anders als das Landgericht einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz verneint. Dagegen wenden sich die Beklagten zu 1 bis 3 und 5 mit ihren vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen. Sie verfolgen ihre Anträge auf Klageabweisung weiter.

Vorinstanz:

Oberlandesgericht München - Urteil vom 28. März 2024 - 29 U 1319/20 Kart

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

Artikel 101 AEUV (ex-Artikel 81 EGV)

(1) Mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarkts bezwecken oder bewirken, insbesondere

a) die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen;

b) die Einschränkung oder Kontrolle der Erzeugung, des Absatzes, der technischen Entwicklung oder der Investitionen;

[…]

§ 1 GWB

Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.

Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen (Rechtsdienstleistungsgesetz - RDG)

§ 2 Begriff der Rechtsdienstleistung

(1) Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.

[Abs. 2 in der bis 30. September 2021 geltenden Fassung]:

(2) Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung). Abgetretene Forderungen gelten für den bisherigen Gläubiger nicht als fremd.

[Abs. 2 in der ab 1. Oktober 2021 geltenden Fassung]:

(2) Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird, einschließlich der auf die Einziehung bezogenen rechtlichen Prüfung und Beratung (Inkassodienstleistung). Abgetretene Forderungen gelten für den bisherigen Gläubiger nicht als fremd.

§ 3 Befugnis zur Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen

[in der bis 31. Dezember 2024 geltenden Fassung]:

Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird.

[in der ab 1.Januar 2025 geltenden Fassung]:

Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist unzulässig, soweit sie nicht erlaubt wird

1. durch § 5 Absatz 1 Satz 1, § 6 Absatz 1, § 7 Absatz 1 Satz 1, § 8 Absatz 1, § 10 Absatz 1 Satz 1 oder § 15 Absatz 1 Satz 1 oder 2 und Absatz 2 Satz 1 und 5 oder

2. durch oder aufgrund eines anderen Gesetzes.

§ 4 Unvereinbarkeit mit einer anderen Leistungspflicht

[in der bis 30. September 2021 geltenden Fassung]:

Rechtsdienstleistungen, die unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer anderen Leistungspflicht haben können, dürfen nicht erbracht werden, wenn hierdurch die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährdet wird.

[in der ab 1. Oktober 2021 geltenden Fassung]:

Rechtsdienstleistungen, die unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer anderen Leistungspflicht haben können, dürfen nicht erbracht werden, wenn hierdurch die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährdet wird. Eine solche Gefährdung ist nicht schon deshalb anzunehmen, weil aufgrund eines Vertrags mit einem Prozessfinanzierer Berichtspflichten gegenüber dem Prozessfinanzierer bestehen.

§ 10 Rechtsdienstleistungen aufgrund besonderer Sachkunde

(1) Natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die beim Bundesamt für Justiz [in der bis 31. Dezember 2025 geltenden Fassung: bei der zuständigen Behörde] registriert sind (registrierte Personen), dürfen aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in folgenden Bereichen erbringen:

1. Inkassodienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1),

2. […]

3. Rechtsdienstleistungen in einem ausländischen Recht; ist das ausländische Recht das Recht eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, darf auch auf dem Gebiet des Rechts der Europäischen Union und des Rechts des Europäischen Wirtschaftsraums beraten werden.

[…]

Zivilprozessordnung (ZPO)

§ 260 Anspruchshäufung

Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.

Karlsruhe, den 12. Dezember 2025

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501


Entnommen aus http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&pm_nummer=0229/25

Copyright ©Kanzlei Judith Kellner, Mannheim, 2017
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